Nietzsche kontra Wagner   ::   Ницше Фридрих

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Er kennt jenes müde Sich Schieben der Seele, die nicht mehr springen und fliegen, ja nicht mehr gehen kann; er hat den scheuen Blick des verhehlten Schmerzes, des Verstehens ohne Trost, des Abschiednehmens ohne Geständnis; ja als Orpheus alles heimlichen Elends ist er größer als irgend einer, und manches ist durch ihn überhaupt erst der Kunst hinzugefügt worden, was bisher unausdrücklich und selbst der Kunst unwürdig erschien — die zynischen Revolten zum Beispiel, deren nur der Leidendste fähig ist, insgleichen manches ganz Kleine und Mikroskopische der Seele, gleichsam die Schuppen ihrer amphibischen Natur — , ja er ist der Meister des ganz Kleinen. Aber er will es nicht sein! Sein Charakter liebt vielmehr die großen Wände und die verwegene Wandmalerei!… Es entgeht ihm, daß sein Geist einen andren Geschmack und Hang — eine entgegengesetzte Optik — hat und am liebsten still in den Winkeln zusammengestürzter Häuser sitzt: da, verborgen, sich selber verborgen, malt er seine eigentlichen Meisterstücke, welche alle sehr kurz sind, oft nur Einen Takt lang, — da erst wird er ganz gut, groß und vollkommen, da vielleicht allein. — Wagner ist einer, der tief gelitten hat — sein Vorrang, vor den übrigen Musikern. Ich bewundere Wagner in allem, worin er sich in Musik setzt. —



WO ICH EINWÄNDE MACHE

Damit ist nicht gesagt, daß ich diese Musik für gesund halte, am wenigsten gerade da, wo sie von Wagner redet. Meine Einwände gegen die Musik Wagners sind physiologische Einwände: wozu dieselben erst noch unter ästhetische Formeln verkleiden? Ästhetik ist ja nichts als eine angewandte Physiologie. — Meine «Tatsache», mein «petit fait vrai» ist, daß ich nicht mehr leicht atme, wenn diese Musik erst auf mich wirkt; daß alsbald mein Fuß gegen sie böse wird und revoltiert: er hat das Bedürfnis nach Takt, Tanz, Marsch — nach Wagners Kaisermarsch kann nicht einmal der junge deutsche Kaiser marschieren — , er verlangt von der Musik vorerst die Entzückungen, welche in gutem Gehn, Schreiten, Tanzen liegen. Protestiert aber nicht auch mein Magen? mein Herz? mein Blutlauf? betrübt sich nicht mein Eingeweide? Werde ich nicht unversehens heiser dabei… Um Wagner zu hören, brauche ich pastilles Gérandel… Und so frage ich mich: was will eigentlich mein ganzer Leib von der Musik überhaupt? Denn es gibt keine Seele… Ich glaube, seine Erleichterung: wie als ob alle animalischen Funktionen durch leichte, kühne, ausgelaßne, selbstgewisse Rhythmen beschleunigt werden sollten; wie als ob das eherne, das bleierne Leben durch goldne zärtliche ölgleiche Melodien seine Schwere verlieren sollte. Meine Schwermut will in den Verstecken und Abgründen der Vollkommenheit ausruhn: dazu brauche ich Musik. Aber Wagner macht krank.

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