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Mutter. Leider war ich zu gut, bin immer zu gut.
Klare . Wenn Egmont vorbeiritt und ich ans Fenster lief, schaltet Ihr mich da? Tratet Ihr nicht selbst ans Fenster? Wenn er heraufsah, lächelte, nickte, mich grüßte: war es Euch zuwider? Fandet Ihr Euch nicht selbst in Eurer Tochter geehrt?
Mutter . Mache mir noch Vorwürfe.
Klare (gerührt). Wenn er nun öfter die Straße kam, und wir wohl fühlten, daß er um meinetwillen den Weg machte, bemerktet Ihr's nicht selbst mit heimlicher Freude? Rieft Ihr mich ab, wenn ich hinter den Scheiben stand und ihn erwartete?
Mutter . Dachte ich, daß es so weit kommen sollte?
Klare (mit stockender Stimme und zurückgehaltenen Tränen). Und wie er uns abends, in den Mantel eingehüllt, bei der Lampe überraschte, wer war geschäftig, ihn zu empfangen, da ich auf meinem Stuhl wie angekettet und staunend sitzen blieb?
Mutter . Und konnte ich fürchten, daß diese unglückliche Liebe das kluge Klärchen so bald hinreißen würde? Ich muß es nun tragen, daß meine Tochter —
Klare (mit ausbrechenden Tränen). Mutter! Ihr wollt's nun! Ihr habt Eure Freude, mich zu ängstigen.
Mutter (weinend). Weine noch gar! Mache mich noch elender durch deine Betrübnis. Ist mir's nicht Kummer genug, daß meine einzige Tochter ein verworfenes Geschöpf ist?
Klare (aufstehend und kalt). Verworfen! Egmonts Geliebte verworfen? — Welche Fürstin neidete nicht das arme Klärchen um den Platz an seinem Herzen! O Mutter — meine Mutter, so redetet Ihr sonst nicht. Liebe Mutter, seid gut! Das Volk, was das denkt, die Nachbarinnen, was die murmeln — Diese Stube, dieses kleine Haus ist ein Himmel, seit Egmonts Liebe drin wohnt.
Mutter . Man muß ihm hold sein! das ist wahr. Er ist immer so freundlich, frei und offen.
Klare . Es ist keine falsche Ader an ihm. Seht, Mutter, und er ist doch der große Egmont. Und wenn er zu mir kommt, wie er so lieb ist, so gut! wie er mir seinen Stand, seine Tapferkeit gerne verbärge! wie er um mich besorgt ist! so nur Mensch, nur Freund, nur Liebster.
Mutter . Kommt er wohl heute?
Klare . Habt Ihr mich nicht oft ans Fenster gehen sehn? Habt Ihr nicht bemerkt, wie ich horche, wenn's an der Tür rauscht? — Ob ich schon weiß, daß er vor Nacht nicht kommt, vermut ich ihn doch jeden Augenblick, von morgens an, wenn ich aufstehe. Wär' ich nur ein Bube und könnte immer mit ihm gehen, zu Hofe und überall hin! Könnt' ihm die Fahne nachtragen in der Schlacht! —
Mutter .
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