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Dem Barbaren dagegen ist Leiden an sich nichts Anständiges: er braucht erst eine Auslegung, um es sich einzugestehn, dass er leidet (sein Instinkt weist ihn eher auf Verleugnung des Leidens, auf stilles Ertragen hin) Hier war das Wort» Teufel «eine Wohlthat: man hatte einen übermächtigen und furchtbaren Feind, — man brauchte sich nicht zu schämen, an einem solchen Feind zu leiden. —
Das Christenthum hat einige Feinheiten auf dem Grunde, die zum Orient gehören. Vor allem weiss es, dass es an sich ganz gleichgültig ist, ob Etwas wahr , aber von höchster Wichtigkeit, sofern es als wahr geglaubt wird. Die Wahrheit und der Glaube, dass Etwas wahr sei: zwei ganz auseinanderliegende Interessen-Welten, fast Gegensatz — Welten — man kommt zum Einen und zum Andren auf grundverschiednen Wegen. Hierüber wissend zu sein — das macht im Orient beinahe den Weisen: so verstehn es die Brahmanen, so versteht es Plato, so jeder Schüler esoterischer Weisheit. Wenn zum Beispiel ein Glück darin liegt, sich von der Sünde erlöst zu glauben, so thut als Voraussetzung dazu nicht noth, dass der Mensch sündig sei, sondern dass er sich sündig fühlt. Wenn aber überhaupt vor allem Glaube noth thut, so muss man die Vernunft, die Erkenntniss, die Forschung in Misskredit bringen: der Weg zur Wahrheit wird zum verbotnen Weg. — Die starke Hoffnung ist ein viel grösseres Stimulans des Lebens, als irgend ein einzelnes wirklich eintretendes Glück. Man muss Leidende durch eine Hoffnung aufrecht erhalten, welcher durch keine Wirklichkeit widersprochen werden kann, — welche nicht durch eine Erfüllung abgethan wird: eine Jenseits-Hoffnung. (Gerade wegen dieser Fähigkeit, den Unglücklichen hinzuhalten, galt die Hoffnung bei den Griechen als übel der Übel, als das eigentlich tückische Übel: es blieb im Fass des Übels zurück). — Damit Liebe möglich ist, muss Gott Person sein; damit die untersten Instinkte mitreden können, muss Gott jung sein. Man hat für die Inbrunst der Weiber einen schönen Heiligen, für die der Männer eine Maria in den Vordergrund zu rücken. Dies unter der Voraussetzung, dass das Christenthum auf einem Boden Herr, werden will, wo aphrodisische oder Adonis-Culte den Begriff des Cultus bereits bestimmt haben. Die Forderung der Keuschheit verstärkt die Vehemenz und Innerlichkeit des religiösen Instinkts — sie macht den Cultus wärmer, schwärmerischer, seelenvoller. — Die Liebe ist der Zustand, wo der Mensch die Dinge am meisten so sieht, wie sie nicht sind. Die illusorische Kraft ist da auf ihrer Höhe, ebenso die versüssende, die verklärende Kraft. Man erträgt in der Liebe mehr als sonst, man duldet Alles. Es galt eine Religion zu erfinden, in der geliebt werden kann: damit ist man über das Schlimmste am Leben hinaus — man sieht es gar nicht mehr.
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