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Erwägt man, dass fast bei allen Völkern der Philosoph nur die Weiterentwicklung des priesterlichen Typus ist, so überrascht dieses Erbstück des Priesters,die Falschmünzerei vor sich selbst, nicht mehr. Wenn man heilige Aufgaben hat, zum Beispiel die Menschen zu bessern, zu retten, zu erlösen, wenn man die Gottheit im Busen trägt, Mundstück jenseitiger Imperative ist, so steht man mit einer solchen Mission bereits ausserhalb aller bloss verstandesmässigen Werthungen, — selbst schon geheiligt durch eine solche Aufgabe, selbst schon der Typus einer höheren Ordnung!… Was geht einen Priester die Wissenschaft an! Er steht zu hoch dafür! — Und der Priester hat bisher geherrscht! Er bestimmte den Begriff» wahr «und» unwahr«!…
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Unterschätzen wir dies nicht: wir selbst, wir freien Geister, sind bereits eine» Umwerthung aller Werthe«, eine leibhafte Kriegs- und Siegs-Erklärung an alle alten Begriffe von» wahr «und» unwahr«. Die werthvollsten Einsichten werden am spätesten gefunden; aber die werthvollsten Einsichten sind die Methoden. Alle Methoden, alle Voraussetzungen unsrer jetzigen Wissenschaftlichkeit haben Jahrtausende lang die tiefste Verachtung gegen sich gehabt, auf sie hin war man aus dem Verkehre mit» honnetten «Menschen ausgeschlossen, — man galt als» Feind Gottes«, als Verächter der Wahrheit, als» Besessener«. Als wissenschaftlicher Charakter war man Tschandala… Wir haben das ganze Pathos der Menschheit gegen uns gehabt — ihren Begriff von dem, was Wahrheit sein soll, was der Dienst der Wahrheit sein soll: jedes» du sollst «war bisher gegen uns gerichtet… Unsre Objekte, unsre Praktiken, unsre stille vorsichtige misstrauische Art — Alles schien ihr vollkommen unwürdig und verächtlich. — Zuletzt dürfte man, mit einiger Billigkeit, sich fragen, ob es nicht eigentlich ein ästhetischer Geschmack war, was die Menschheit in so langer Blindheit gehalten hat: sie verlangte von der Wahrheit einen pittoresken Effekt, sie verlangte insgleichen vom Erkennenden, dass er stark auf die Sinne wirke. Unsre Bescheidenheit gieng ihr am längsten wider den Geschmack… Oh wie sie das erriethen, diese Truthähne Gottes -
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Wir haben umgelernt. Wir sind in allen Stücken bescheidner geworden. Wir leiten den Menschen nicht mehr vom» Geist«, von der» Gottheit «ab, wir haben ihn unter die Thiere zurückgestellt. Er gilt uns als das stärkste Thier, weil er das listigste ist: eine Folge davon ist seine Geistigkeit. Wir wehren uns anderseits gegen eine Eitelkeit, die auch hier wieder laut werden möchte: wie als ob der Mensch die grosse Hinterabsicht der thierischen Entwicklung gewesen sei.
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