Der Wanderer und sein Schatten   ::   Ницше Фридрих

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Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugegangen sein? Nein, gewiß nicht! Ohne die Beihilfe des leibhaftigen Teufels hätte es der große Gelehrte nicht zustande gebracht. — Sollte dies wirklich der größte deutsche» tragische Gedanke «sein, wie man unter Deutschen sagen hört? — Für Goethe war aber auch dieser Gedanke noch zu fürchterlich; sein mildes Herz konnte nicht umhin, die kleine Nähterin,»die gute Seele, die nur einmal sich vergessen«, nach ihrem unfreiwilligen Tode in die Nähe der Heiligen zu versetzen; ja selbst den großen Gelehrten brachte er, durch einen Possen, der dem Teufel im entscheidenden Augenblick gespielt wird, noch zur rechten Zeit in den Himmel, ihn,»den guten Menschen «mit dem» dunklen Drange«: — dort im Himmel finden sich die Liebenden wieder. — Goethe sagt einmal, für das eigentlich Tragische sei seine Natur zu konziliant gewesen.

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Gibt es» deutsche Klassiker«?  — Sainte-Beuve bemerkt einmal, daß zu der Art einiger Literaturen das Wort» Klassiker «durchaus nicht klingen wolle: wer werde zum Beispiel so leicht von» deutschen Klassikern «reden! — Was sagen unsre deutschen Buchhändler dazu welche auf dem Wege sind, die fünfzig deutschen Klassiker, an die wir schon glauben sollen, noch um weitere fünfzig zu vermehren? Scheint es doch fast, als ob man eben nur 30 Jahre lang tot zu sein und als erlaubte Beute öffentlich dazuliegen brauche, um unversehens plötzlich als Klassiker die Trompete der Auferstehung zu hören! Und dies in einer Zeit und unter einem Volke, wo selbst von den sechs großen Stammvätern der Literatur fünf unzweideutig veralten oder veraltet sind, — ohne daß diese Zeit und dieses Volk sich gerade dessen zu schämen hätten! Denn jene sind vor den Stärken dieser Zeit zurückgewichen — man überlege es sich nur mit aller Billigkeit! — Von Goethe, wie angedeutet, sehe ich ab, er gehört in eine höhere Gattung von Literaturen, als» National-Literaturen «sind: deshalb steht er auch zu seiner Nation weder im Verhältnis des Lebens, noch des Neuseins, noch des Veraltens. Nur für wenige hat er gelebt und lebt er noch: für die meisten ist er nichts als eine Fanfare der Eitelkeit, welche man von Zeit zu Zeit über die deutsche Grenze hinüberbläst. Goethe, nicht nur ein guter und großer Mensch, sondern eine Kultur, Goethe ist in der Geschichte der Deutschen ein Zwischenfall ohne Folgen: wer wäre imstande, in der deutschen Politik der letzten 70 Jahre zum Beispiel ein Stück Goethe aufzuzeigen! (während jedenfalls darin ein Stück Schiller, und vielleicht sogar ein Stückchen Lessing tätig gewesen ist).

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