Der Wanderer und sein Schatten   ::   Ницше Фридрих

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 — Zum Troste mag sich der so schlimm verleumdete sagen: Verleumdungen sind Krankheiten anderer, die an deinem Leibe ausbrechen; sie beweisen, daß die Gesellschaft ein (moralischer) Körper ist, so daß du an dir die Kur vornehmen kannst, die den Anderen nützen soll.

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Das Kinder-Himmelreich. — Das Glück des Kindes ist ebenso sehr ein Mythus wie das Glück der Hyperboreer, von dem die Griechen erzählten. Wenn das Glück überhaupt auf Erden wohnt, meinten diese, dann gewiß möglichst weit von uns, etwa dort am Rande der Erde. Ebenso denken die älteren Menschen: wenn der Mensch überhaupt glücklich sein kann, dann gewiß möglichst fern von unserem Alter, an den Grenzen und Anfängen des Lebens. Für manchen Menschen ist der Anblick der Kinder, durch den Schleier dieses Mythus hindurch, das größte Glück, dessen er teilhaftig werden kann; er geht selber bis in den Vorhof des Himmelreichs, wenn er sagt» lasset die Kindlein zu mir kommen, denn ihrer ist das Himmelreich«. — Der Mythus vom Kinder-Himmelreich ist überall irgendwie tätig, wo es in der modernen Welt etwas von Sentimentalität gibt.

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Die Ungeduldigen. — Gerade der Werdende will das Werdende nicht: er ist zu ungeduldig dafür. Der Jüngling will nicht warten, bis, nach langen Studien, Leiden und Entbehrungen, sein Gemälde von Menschen und Dingen voll werde: so nimmt er ein anderes, das fertig dasteht und ihm angeboten wird, auf Treu und Glauben an, als müsse es ihm die Linien und Farben seines Gemäldes vorweg geben, er wirft sich einem Philosophen, einem Dichter ans Herz und muß nun eine lange Zeit Frondienste tun und sich selber verleugnen. Vieles lernt er dabei: aber häufig vergißt ein Jüngling das Lernens- und Erkenntniswerteste darüber — sich selber; er bleibt zeitlebens ein Parteigänger. Ach, es ist viel Langeweile zu überwinden, viel Schweiß nötig, bis man seine Farben, seinen Pinsel, seine Leinwand gefunden hat! — Und dann ist man noch lange nicht Meister seiner Lebenskunst — aber wenigstens Herr in der eigenen Werkstatt.

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Es gibt keine Erzieher. — Nur von Selbst-Erziehung solle man als Denker reden. Die Jugend-Erziehung durch andere ist entweder ein Experiment, an einem noch Unerkannten, Unerkennbaren vollzogen, oder eine grundsätzliche Nivellierung, um das neue Wesen, welches es auch sei, den Gewohnheiten und Sitten, welche herrschen, gemäß zu machen : in beiden Fällen also etwas, das des Denkers unwürdig ist, das Werk der Eltern und Lehrer, welche einer der verwegenen Ehrlichen nos ennemis naturels genannt hat.

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