Der Wanderer und sein Schatten   ::   Ницше Фридрих

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Andererseits nimmt man den Besonnenen leicht als ängstlich, befangen, pedantisch — die unpraktischen und genießendenLeute gerade finden ihn unbequem, weil er nicht leichthin lebt wie sie, ohne an das Handeln und die Pflichten zu denken: er erscheint unter ihnen wie ihr leibhaftes Gewissen, und der helle Tag wird bei seinem Anblick ihrem Auge bleich. Wenn ihm also der Erfolg und die Beliebtheit fehlen, so mag er sich immer zum Troste sagen:»so hoch sind eben die Steuern , welche du für den Besitz des köstlichsten Gutes unter Menschen zahlen mußt, — er ist es wert!»

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Et in Arcadia ego. — Ich sah hinunter, über Hügel-Wellen, gegen einen milchgrünen See hin, durch Tannen und altersernste Fichten hindurch: Felsbrocken aller Art um mich, der Boden bunt von Blumen und Gräsern. Eine Herde bewegte, streckte und dehnte sich vor mir; einzelne Kühe und Gruppen ferner, im schärfsten Abendlichte, neben dem Nadelgehölz; andere näher, dunkler; alles in Ruhe und Abendsättigung. Die Uhr zeigte gegen halb sechs. Der Stier der Herde war in den weißen, schäumenden Bach getreten und ging langsam widerstrebend und nachgebend seinem stürzenden Laufe nach: so hatte er wohl seine Art von grimmigem Behagen. Zwei dunkelbraune Geschöpfe, bergamasker Herkunft, waren die Hirten: das Mädchen fast als Knabe gekleidet. Links Felsenhänge und Schneefelder über breiten Waldgürteln, rechts zwei ungeheure beeiste Zacken, hoch über mir, im Schleier des Sonnenduftes schwimmend — alles groß, still und hell. Die gesamte Schönheit wirkte zum Schaudern und zur stummen Anbetung des Augenblicks ihrer Offenbarung; unwillkürlich, wie als ob es nichts Natürlicheres gäbe, stellte man sich in diese reine scharfe Lichtwelt (die gar nichts Sehnendes, Erwartendes, Vor- und Zurückblickendes hatte) griechische Heroen hinein; man mußte wie Poussin und sein Schüler empfinden: heroisch zugleich und idyllisch. — Und so haben einzelne Menschen auch gelebt , so sich dauernd in der Welt und die Welt in sich gefühlt , und unter ihnen einer der größten Menschen, der Erfinder einer heroisch-idyllischen Art zu philosophieren: Epikur.

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Rechnen und messen. — Viele Dinge sehen, miteinander erwägen, gegeneinander abrechnen und aus ihnen einen schnellen Schluß, eine ziemlich sichere Summe bilden, — das macht den großen Politiker, Feldherrn, Kaufmann: also die Geschwindigkeit in einer Art von Kopfrechnen. Eine Sache sehen, in ihr das einzige Motiv zum Handeln, die Richterin alles übrigen Handelns finden, macht den Helden, auch den Fanatiker — also eine Fertigkeit im Messen mit einem Maßstabe.

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Nicht unzeitig sehen wollen.

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