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Dieser brachtejedoch auf ihre gelegentlichen leisen Vorwürfe ziemlich gültige Entschuldigungen zur Sprache.
“Wenn Sie wüßten” sagte er, “wie roh selbst gebildete Menschen sich gegen die schätzbarsten Kunstwerke verhalten, Sie würden mir verzeihen, wenn ich die meinigen nicht unter die Menge bringen mag. Niemand weiß eine Medaille am Rand anzufassen; sie betasten das schönste Gepräge, den reinsten Grund, lassen die köstlichsten Stücke zwischen dem Daumen und Zeigefinger hin— und hergehen, als wenn man Kunstformen auf diese Weise prüfte. Ohne daran zu denken, daß man ein großes Blatt mit zwei Händen anfassen müsse, greifen sie mit einer Hand nach einem unschätzbaren Kupferstich, einer unersetzlichen Zeichnung, wie ein anmaßlicher Politiker eine Zeitung faßt und durch das Zerknittern des Papiers schon im voraus sein Urteil über die Weltbegebenheiten zu erkennen gibt. Niemand denkt daran, daß, wenn nur zwanzig Menschen mit einem Kunstwerke hintereinander ebenso verführen, der einundzwanzigste nicht mehr viel daran zu sehen hätte.”
“Habe ich Sie nicht auch manchmal” fragte Ottilie, “in solche Verlegenheit gesetzt? Habe ich nicht etwa Ihre Schätze, ohne es zu ahnen, gelegentlich einmal beschädigt?”
“Niemals,” versetzte der Architekt: “niemals! Ihnen wäre es unmöglich: das Schickliche ist mit Ihnen geboren.”
“Auf alle Fälle” versetzte Ottilie, “wäre es nicht übel, wenn man künftig in das Büchlein von guten Sitten, nach den Kapiteln, wie man sich in Gesellschaft beim Essen und Trinken benehmen soll, ein recht umständliches einschöbe, wie man sich in Kunstsammlungen und Museen zu betragen habe.”
“Gewiß” versetzte der Architekt, “würden alsdann Kustoden und Liebhaber ihre Seltenheiten fröhlicher mitteilen.”
Ottilie hatte ihm schon lange verziehen; als er sich aber den Vorwurf sehr zu Herzen zu nehmen schien und immer auf’s neue beteuerte, daß er gewiß gerne mitteile, gern für Freunde tätig sei, so empfand sie, daß sie sein zartes Gemüt verletzt habe, und fühlte sich als seine Schuldnerin. Nicht wohl konnte sie ihm daher eine Bitte rund abschlagen, die er in Gefolg dieses Gesprächs an sie tat, ob sie gleich, indem sie schnell ihr Gefühl zu Rate zog, nicht einsah, wie sie ihm seine Wünsche gewähren könne.
Die Sache verhielt sich also.
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