Justiz   ::   Дюрренматт Фридрих

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Nicht der exquisiten Gesellschaft zuliebe, in der ich vegetiere, nicht dieser unerträglichen Relikte wegen, die mich umgeben, sondern um derGerechtigkeit willen, der zuliebe ich handle, handeln muß, will ich mir den letzten Rest Menschlichkeit bewahren (pathetisch, feierlich, erhaben, heiliger Ernst mit Orgelbegleitung, was ich da niederschreibe, aber ich streiche es nicht durch, korrigiere es nicht, wozu auch Korrekturen, wozu auch Stil, nicht literarische Ambitionen leiten mich, sondern mörderische Absichten, im übrigen: nicht betrunken, Herr Staatsanwalt, Irrtum, nicht betrunken, nur nüchtern, eisig nüchtern, tödlich nüchtern). Es bleibt mir darum nichts anderes übrig (Auf Ihr Wohl, Herr Staatsanwalt!), als zu saufen, zu huren, zu berichten, meine Bedenken anzumelden, meine Fragezeichen zu setzen und zu warten, zu warten, bis sich die Wahrheit enthüllt, bis sich die grausame Göttin entschleiert (doch literarisch geworden, zum Kotzen). Das wird nicht in diesen Papieren geschehen, die Wahrheit ist keine Formel, die sich aufzeichnen läßt, sie liegt außerhalb jeder sprachlichen Bemühung, außerhalb jeder Dichterei, nur im Hereinbrechen des Gerichts, in diesem ewigen Selbstvollzug der Gerechtigkeit wird sie wirksam, ist sie zu ahnen. Wahrheit wird sein, wenn ich einmal vor Dr.h.c. Kohler stehen werde, Auge in Auge, wenn ich die Gerechtigkeit verwirklichen und das Urteil vollziehen werde. Dann wird einen Augenblick, einen Herzschlag, eine blitzschnelle Ewigkeit, die peitschende Sekunde eines Schusses lang die Wahrheit aufleuchten, die Wahrheit, die sich mir jetzt beim Nachdenken verflüchtigt, die kaum mehr zu sein scheint als ein bizarres böses Märchen. Als ein solches kommt mir auch mein Besuch bei der» echten «Steiermann vor: mehr Traum als Wirklichkeit, mehr Sage als Tatsache.

Monika Steiermann 2: >Mon Repos< ist am Rande unserer Stadt in einem riesigen und so verwilderten Park gelegen, daß die Villa seit langem beinahe unsichtbar geworden ist, nur im Winter sind bisweilen mühsam und unbestimmt einige Gemäuer und ein Giebel durch das wirre Geäst alter Bäume gegen den Wagnerbühl hin zu erraten. An Empfänge in >Mon Repos< vermögen sich nur noch wenige zu erinnern. Vater und Großvater der» echten «Monika gaben ihre Feste und Jubiläen schon auf ihren Landsitzen am Zuger- und Genfersee, hielten sich in unserer Stadt nur auf, um zu arbeiten (sie stellten noch Schwerarbeiter der Industrie dar), feiern taten sie auswärts, während die Damen, besuchten sie unsere Stadt, im >Dolder<, im >Baur au Lac< oder eben im >Breitingerhof< logierten.

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