Nietzsche kontra Wagner   ::   Ницше Фридрих

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Vielleicht geht die Paradoxie seiner Lage so weit ins Schauerliche, daß die «Gebildeten» gerade dort, wo er das große Mitleiden neben der großen Verachtung gelernt hat, ihrerseits die große Verehrung lernen… Und wer weiß, ob sich nicht in allen großen Fällen eben nur dies begab, — daß man einen Gott anbetete und daß der Gott nur ein armes Opfertier war… Der Erfolg war immer der größte Lügner — und auch das Werk, die Tat ist ein Erfolg… Der große Staatsmann, der Eroberer, der Entdecker ist in seine Schöpfungen verkleidet, versteckt, bis ins Unerkennbare; das Werk, das des Künstlers, des Philosophen, erfindet erst den, welcher es geschaffen hat, geschaffen haben soll… Die «großen Männer», wie sie verehrt werden, sind kleine schlechte Dichtungen hinterdrein, — in der Welt der historischen Werte herrscht die Falschmünzerei…

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— Diese großen Dichter zum Beispiel, diese Byron, Musset, Poe, Leopardi, Kleist, Gogol — ich wage es nicht, viel größere Namen zu nennen, aber ich meine sie — , wie sie nun einmal sind, sein müssen: Menschen des Augenblicks, sinnlich, absurd, fünffach, im Mißtrauen und Vertrauen leichtfertig und plötzlich; mit Seelen, an denen gewöhnlich irgend ein Bruch verhehlt werden soll; oft mit ihren Werken Rache nehmend für eine innere Besudelung, oft mit ihren Aufflügen Vergessenheit suchend vor einem allzu treuen Gedächtnis, Idealisten aus der Nähe des Sumpfes — welche Marter sind diese großen Künstler und überhaupt die sogenannten höheren Menschen für den, der sie erst erraten hat!… Wir sind alle Fürsprecher des Mittelmäßigen… Es ist begreiflich, daß sie gerade vom Weibe, das heilseherisch ist in der Welt des Leidens und leider auch weit über seine Kräfte hinaus hilf- und rettungssüchtig, so leicht jene Ausbrüche von unbegrenztem Mitleide erfahren, welche die Menge, vor allem die verehrende Menge mit neugierigen und selbstgefälligen Deutungen überhäuft… Dies Mitleiden täuscht sich regelmäßig über seine Kraft: das Weib möchte glauben, daß Liebe alles vermöge, — es ist sein eigentlicher Aberglaube. Ach, der Wissende des Herzen errät, wie arm, hilflos, anmaßlich, fehlgreifend auch die beste, tiefste Liebe ist — wie sie eher noch zerstört als rettet.

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— Der geistige Ekel und Hochmut jedes Menschen, der tief gelitten hat, — es bestimmt beinahe die Rangordnung, wie tief einer leiden kann, — seine schaudernde Gewißheit, von der er ganz durchtränkt und gefärbt ist, vermöge seines Leidens mehr zu wissen, als die Klügsten und Weisesten wissen könnten, in vielen fernen entsetzlichen Welten bekannt und einmal zu Hause gewesen zu sein, von denen «ihr nichts wißt»…, diese geistige schweigende Hochmut, dieser Stolz des Auserwählten der Erkenntnis, des «Eingeweihten», des beinahe Geopferten findet alle Arten von Verkleidung nötig, um sich vor der Berührung mit zudringlichen und mitleidigen Händen und überhaupt vor allem, was nicht seinesgleichen im Schmerz ist, zu schützen. Das tiefe Leiden macht vornehm; es trennt. — Eine der feinsten Verkleidungs-Formen ist der Epikureismus und eine gewisse fürderhin zur Schau getragne Tapferkeit des Geschmacks, welche das Leiden leichtfertig nimmt und sich gegen alles Traurige und Tiefe zur Wehre setzt. Es gibt «heitere Menschen», welche sich der Heiterkeit bedienen, weil sie um ihretwillen mißverstanden werden, — sie wollen mißverstanden sein. Es gibt «wissenschaftliche Geister», welche sich der Wissenschaft bedienen, weil dieselbe einen heiteren Anschein gibt und weil Wissenschaftlichkeit darauf schließen läßt, daß der Mensch oberflächlich ist — sie wollen zu einem falschen Schlusse verführen… Es gibt freie freche Geister, welche verbergen und verleugnen möchten, daß sie im Grunde zerbrochne unheilbare Herzen sind — es ist der Fall Hamlets: und dann kann die Narrheit selbst die Maske für ein unseliges allzu gewisses Wissen sein.

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