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Der» Wille Gottes «stand längst fest: das ganze Unheil liegt darin, dass man sich der» heiligen Schrift «entfremdet hat… Moses schon war der» Wille Gottes «offenbart… Was war geschehn? Der Priester hatte, mit Strenge, mit Pedanterie, bis auf die grossen und kleinen Steuern, die man ihm zu zahlen hatte (— die schmackhaftesten Stücke vom Fleisch nicht zu vergessen: denn der Priester ist ein Beefsteak-Fresser) ein für alle Mal formulirt, was er haben will,»was der Wille Gottes ist«… Von nun an sind alle Dinge des Lebens so geordnet, dass der Priester überall unentbehrlich ist; in allen natürlichen Vorkommnissen des Lebens, bei der Geburt, der Ehe, der Krankheit, dem Tode, gar nicht vom Opfer (»der Mahlzeit«) zu reden, erscheint der heilige Parasit, um sie zu entnatürlichen: in seiner Sprache zu» heiligen«… Denn dies mussman begreifen: jede natürliche Sitte, jede natürliche Institution (Staat, Gerichts-Ordnung, Ehe, Kranken- und Armenpflege), jede vom Instinkt des Lebens eingegebne Forderung, kurz Alles, was seinen Werth in sich hat, wird durch den Parasitismus des Priesters (oder der» sittlichen Weltordnung«) grundsätzlich werthlos, werth-widrig gemacht: es bedarf nachträglich einer Sanktion, — eine werthverleihende Macht thut noth, welche die Natur darin verneint, welche eben damit erst einen Werth schafft… Der Priester entwerthet, entheiligt die Natur: um diesen Preis besteht er überhaupt. — Der Ungehorsam gegen Gott, das heisst gegen den Priester, gegen» das Gesetz «bekommt nun den Namen» Sünde«; die Mittel, sich wieder» mit Gott zu versöhnen«, sind, wie billig, Mittel, mit denen die Unterwerfung unter den Priester nur noch gründlicher gewährleistet ist: der Priester allein» erlöst«… Psychologisch nachgerechnet werden in jeder priesterlich organisirten Gesellschaft die» Sünden «unentbehrlich: sie sind die eigentlichen Handhaben der Macht, der Priester lebt von den Sünden, er hat nöthig, dass» gesündigt «wird… Oberster Satz:»Gott vergiebt dem, der Busse thut«— auf deutsch: der sich dem Priester unterwirft. -
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Auf einem dergestalt falschen Boden, wo jede Natur, jeder Natur-Werth, jede Realität die tiefsten Instinkte der herrschenden Klasse wider sich hatte, wuchs das Christenthum auf, eine Todfeindschafts-Form gegen die Realität, die bisher nicht übertroffen worden ist. Das» heilige Volk«, das für alle Dinge nur Priester-Werthe, nur Priester-Worte übrig behalten hatte, und mit einer Schluss-Folgerichtigkeit, die Furcht einflössen kann, Alles, was sonst noch an Macht auf Erden bestand, als» unheilig«, als» Welt«, als» Sünde «von sich abgetrennt hatte — dies Volk brachte für seinen Instinkt eine letzte Formel hervor, die logisch war bis zur Selbstverneinung: es verneinte, als Christenthum, noch die letzte Form der Realität, das» heilige Volk«, das» Volk der Ausgewählten«, die jüdische Realität selbst. Der Fall ist ersten Rangs: die kleine aufständische Bewegung, die auf den Namen des Jesus von Nazareth getauft wird, ist der jüdische Instinkt noch einmal, — anders gesagt, der Priester-Instinkt, der den Priester als Realität nicht mehr verträgt, die Erfindung einer noch abgezogneren Daseinsform, einer noch unrealeren Vision der Welt, als sie die Organisation einer Kirche bedingt.
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