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Das Christenthum verneint die Kirche…
Ich sehe nicht ab, wogegen der Aufstand gerichtet war, als dessen Urheber Jesus verstanden oder missverstanden worden ist,wenn es nicht der Aufstand gegen die jüdische Kirche war, Kirche genau in dem Sinn genommen, in dem wir heute das Wort nehmen. Es war ein Aufstand gegen» die Guten und Gerechten«, gegen» die Heiligen Israels«, gegen die Hierarchie der Gesellschaft — nicht gegen deren Verderbniss, sondern gegen die Kaste, das Privilegium, die Ordnung, die Formel; es war der Unglaube an die» höheren Menschen«, das Nein gesprochen gegen Alles, was Priester und Theologe war. Aber die Hierarchie, die damit, wenn auch nur für einen Augenblick, in Frage gestellt wurde, war der Pfahlbau, auf dem das jüdische Volk, mitten im» Wasser«, überhaupt noch fortbestand, die mühsam errungene letzte Möglichkeit, übrig zu bleiben, das residuum seiner politischen Sonder-Existenz: ein Angriff auf sie war ein Angriff auf den tiefsten Volks-Instinkt, auf den zähesten Volks-Lebens-Willen, der je auf Erden dagewesen ist. Dieser heilige Anarchist, der das niedere Volk, die Ausgestossnen und» Sünder«, die Tschandala innerhalb des Judenthums zum Widerspruch gegen die herrschende Ordnung aufrief — mit einer Sprache, falls den Evangelien zu trauen wäre, die auch heute noch nach Sibirien führen würde, war ein politischer Verbrecher, so weit eben politische Verbrecher in einer absurd-unpolitischen Gemeinschaft möglich waren. Dies brachte ihn an's Kreuz: der Beweis dafür ist die Aufschrift des Kreuzes. Er starb für seine Schuld, — es fehlt jeder Grund dafür, so oft es auch behauptet worden ist, dass er für die Schuld Andrer starb. -
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Eine vollkommen andre Frage ist es, ob er einen solchen Gegensatz überhaupt im Bewusstsein hatte, — ob er nicht bloss als dieser Gegensatz empfunden wurde. Und hier erst berühre ich das Problem der Psychologie des Erlösers.
— Ich bekenne, dass ich wenige Bücher mit solchen Schwierigkeiten lese wie die Evangelien. Diese Schwierigkeiten sind andre, als die, an deren Nachweis die gelehrte Neugierde des deutschen Geistes einen ihrer unvergesslichsten Triumphe gefeiert hat. Die Zeit ist fern, wo auch ich, gleich jedem jungen Gelehrten, mit der klugen Langsamkeit eines raffinirten Philologen das Werk des unvergleichlichen Strauss auskostete. Damals war ich zwanzig Jahr alt: jetzt bin ich zu ernst dafür.
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