Der Antichrist   ::   Ницше Фридрих

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Philologie als Ephexis in der Interpretation: handle es sich nun um Bücher, um Zeitungs-Neuigkeiten, um Schicksale oder Wetter-Thatsachen, — nicht zu reden vom» Heil der Seele«… Die Art, wie ein Theolog, gleichgültig ob in Berlin oder in Rom, ein» Schriftwort «auslegt oder ein Erlebniss, einen Sieg des vaterländischen Heers zum Beispiel unter der höheren Beleuchtung der Psalmen Davids, ist immer dergestalt kühn, dass ein Philolog dabei an allen Wänden emporläuft. Und was soll er gar anfangen, wenn Pietisten und andre Kühe aus dem Schwabenlande den armseligen Alltag und Stubenrauch ihres Daseins mit dem» Finger Gottes «zu einem Wunder von» Gnade«, von» Vorsehung«, von» Heilserfahrungen «zurechtmachen! Der bescheidenste Aufwand von Geist, um nicht zu sagen von Anstand, müsste diese Interpreten doch dazu bringen, sich des vollkommen Kindischen und Unwürdigen eines solchen Missbrauchs der göttlichen Fingerfertigkeit zu überführen. Mit einem noch so kleinen Maasse von Frömmigkeit im Leibe sollte uns ein Gott, der zur rechten Zeit vom Schnupfen kurirt oder der uns in einem Augenblick in die Kutsche steigen heisst, wo gerade ein grosser Regen losbricht, ein so absurder Gott sein, dass man ihn abschaffen müsste, selbst wenn er existirte. Ein Gott als Dienstbote, als Briefträger, als Kalendermann, — im Grunde ein Wort für die dümmste Art aller Zufälle… Die» göttliche Vorsehung«, wie sie heute noch ungefähr jeder dritte Mensch im» gebildeten Deutschland «glaubt, wäre ein Einwand gegen Gott, wie er stärker gar nicht gedacht werden könnte. Und in jedem Fall ist er ein Einwand gegen Deutsche!…



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Dass Märtyrer Etwas für die Wahrheit einer Sache beweisen, ist so wenig wahr, dass ich leugnen möchte, es habe je ein Märtyrer überhaupt Etwas mit der Wahrheit zu thun gehabt. In dem Tone, mit dem ein Märtyrer sein Für-wahr-halten der Welt an den Kopf wirft, drückt sich bereits ein so niedriger Grad intellektueller Rechtschaffenheit, eine solche Stumpfheit für die Frage Wahrheit aus, dass man einen Märtyrer nie zu widerlegen braucht. Die Wahrheit ist Nichts, was Einer hätte und ein Andrer nicht hätte: so können höchstens Bauern oder Bauern-Apostel nach Art Luther's über die Wahrheit denken. Man darf sicher sein, dass je nach dem Grade der Gewissenhaftigkeit in Dingen des Geistes die Bescheidenheit, die Bescheidung in diesem Punkte immer grösser wird.

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