Der Wanderer und sein Schatten   ::   Ницше Фридрих

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Du selber, armer Ängstlicher, bist die unbezwingliche Moira, welche noch über den Göttern thront, für alles, was da kommt; du bist Segen oder Fluch und jedenfalls die Fessel, in welcher der Stärkste gebunden liegt; in dir ist alle Zukunft der Menschen-Welt vorherbestimmt, es hilft dir nichts, wenn dir vor dir selber graut.

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Advokat des Teufels.  — »Nur durch eigenen Schaden wird man klug, nur durch fremden Schaden wird man gut« so lautet jene seltsame Philosophie, welche alle Moralität aus dem Mitleiden und alle Intellektualität aus der Isolation des Menschen ableitet: damit ist sie unbewußt die Sachwalterin aller irdischen Schadhaftigkeit. Denn das Mitleiden hat das Leiden nötig und die Isolation die Verachtung der anderen.

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Die moralischen Charaktermasken.  — In den Zeiten, da die Charaktermasken der Stände für endgültig fest, gleich den Ständen selber gelten, werden die Moralisten verführt sein, auch die moralischen Charaktermasken für absolut zu halten und sie so zu zeichnen. So ist Molière als Zeitgenosse der Gesellschaft Ludwigs XIV. verständlich; in unserer Gesellschaft der Übergänge und Mittelstufen würde er als ein genialer Pedant erscheinen.

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Die vornehmste Tugend.  — In der ersten Ära des höheren Menschentums gilt die Tapferkeit als die vornehmste der Tugenden, in der zweiten die Gerechtigkeit, in der dritten die Mäßigung, in der vierten die Weisheit. In welcher Ära leben wir? In welcher lebst du?

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Was vorher nötig ist.  — Ein Mensch, der über seinen Jähzorn, seine Gall- und Rachsucht, seine Wollust nicht Meister werden will und es versucht, irgendworin sonst Meister zu werden, ist so dumm wie der Ackermann, der neben einem Wildbach seine Äcker anlegt, ohne sich gegen ihn zu schützen.

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Was ist Wahrheit? — Schwarzert (Melanchthon):»Man predigt oft seinen Glauben, wenn man ihn gerade verloren hat und auf allen Gassen sucht, — und man predigt ihn dann nicht am schlechtesten!«—

Luther: Du redest heut' wahr wie ein Engel, Bruder!

Schwarzert: »Aber es ist der Gedanke deiner Feinde, und sie machen auf dich die Nutzanwendung.«—

Luther: So wär's eine Lüge aus des Teufels Hinterm.

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Gewohnheit der Gegensätze.  — Die allgemeine ungenaue Beobachtung sieht in der Natur überall Gegensätze (wie z. B.»warm und kalt«), wo keine Gegensätze, sondern nur Gradverschiedenheiten sind. Diese schlechte Gewohnheit hat uns verleitet, nun auch noch die innere Natur, die geistig-sittliche Welt, nach solchen Gegensätzen verstehen und zerlegen zu wollen.

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