Der Wanderer und sein Schatten   ::   Ницше Фридрих

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 — Gehen wir einige Jahrtausende miteinander vorwärts, meine Freunde! Es ist sehr viel Freude noch den Menschen vorbehalten, wovon den Gegenwärtigen noch kein Geruch zugeweht ist! Und zwar dürfen wir uns diese Freude versprechen, ja als etwas Notwendiges verheißen und beschwören, im Fall nur die Entwicklung der menschlichen Vernunft nicht stille steht ! Einstmals wird man die logische Sünde, welche im Zürnen und Strafen, einzeln oder gesellschaftsweise geübt, verborgen liegt, nicht mehr übers Herz bringen: einstmals, wenn Herz und Kopf sonah beieinander zu wohnen gelernt haben, wie sie jetzt noch einander ferne stehen. Daß sie sich nicht mehr so ferne stehen wie ursprünglich, ist beim Blick auf den ganzen Gang der Menschheit ziemlich ersichtlich; und der einzelne, der ein Leben innerer Arbeit zu überschauen hat, wird mit stolzer Freude sich der überwundenen Entfernung, der erreichten Annäherung bewußt werden, um daraufhin noch größere Hoffnungen wagen zu dürfen.

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Abkunft der» Pessimisten«. — Ein Bissen guter Nahrung entscheidet oft, ob wir mit hohlem Auge oder hoffnungsreich in die Zukunft schauen: dies reicht ins Höchste und Geistigste hinauf. Die Unzufriedenheit und Welt-Schwärzerei ist dem gegenwärtigen Geschlechte von den ehemaligen Hungerleidern her vererbt . Auch unsern Künstlern und Dichtern merkt man häufig an, wenn sie selber auch noch so üppig leben, daß sie von keiner guten Herkunft sind, daß sie von unterdrückt lebenden und schlecht genährten Vorfahren mancherlei ins Blut und Gehirn mitbekommen haben, was als Gegenstand und gewählte Farbe in ihrem Werke wieder sichtbar wird. Die Kultur der Griechen ist die der Vermögenden, und zwar der Altvermögenden: sie lebten ein paar Jahrhunderte hindurch besser als wir (in jedem Sinne besser, namentlich viel einfacher in Speise und Trank): da wurden endlich die Gehirne so voll und fein zugleich, da floß das Blut so rasch hindurch, einem freudigen, hellen Weine gleich, daß das Gute und Beste bei ihnen nicht mehr düster, verzückt und gewaltsam, sondern schön und sonnenhaft heraustrat.

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Vom vernünftigen Tode. — Was ist vernünftiger, die Maschine stillzustellen, wenn das Werk, das man von ihr verlangte, ausgeführt ist, — oder sie laufen zu lassen, bis sie von selber stille steht, das heißt bis sie verdorben ist? Ist letzteres nicht eine Vergeudung der Unterhaltungskosten, ein Mißbrauch mit der Kraft und Aufmerksamkeit der Bedienenden? Wird hier nicht weggeworfen, was anderswo sehr not täte? Wird nicht selbst eine Art Mißachtung gegen die Maschinen überhaupt verbreitet dadurch, daß viele von ihnen so nutzlos unterhalten und bedient werden? — Ich spreche vom unfreiwilligen (natürlichen) und vom freiwilligen (vernünftigen) Tode. Der natürliche Tod ist der von aller Vernunft unabhängige, der eigentlich unvernünftige Tod, bei dem die erbärmliche Substanz der Schale darüber bestimmt, wie lange der Kern bestehen soll oder nicht: bei dem also der verkümmernde, oft kranke und stumpfsinnige Gefängniswärter der Herr ist, der den Punkt bezeichnet, wo sein vornehmer Gefangener sterben soll.

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