Justiz   ::   Дюрренматт Фридрих

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Ich wurde von der menschlichen Wirklichkeit weggetrieben wie ein Nichtschwimmer von einem reißenden Fluß, mit meinem Untergang kämpfend, wurde ich im Untergang selber ein Raubtier, zu welchem nach dem nächtlichen Gespräch mit Stüssi-Leupin, in welchem ich das Material verkaufte, das dazu dienen sollte, einen Mörder freizusprechen, dessen Tochter kam: Hélène erwartete mich in meiner Anwaltspraxis am Zeltweg, in meiner piekfeinen Dreizimmerwohnung, die ich von Benno übernommen hatte. Erst jetzt fällt mir auf, daß sie mich in und nicht vor der Wohnung erwartete. Im Sessel vor meinem Schreibtisch. Und daß sie sich in der Wohnung auskannte. Aber Benno — wer fiel nicht auf ihn herein. So kam sie, weil sie mir vertraute, und so gab sie sich hin, weil ich sie begehrte, aber den Mut, mich auch ihr anzuvertrauen, und den Glauben, daß auch sie mich begehrte, weil sie mich liebte, hatte ich nicht. So verfehlten wir unsere Liebe. Ich verschwieg ihr, daß ihr Vater nicht gezwungen war zu morden (auch wenn es die teuflische Zwergin gewünscht haben soll), daß es ihm nur gefiel, auf diesem armseligen Planeten den Herrgott zu spielen, und daß ich mich zweimal hatte kaufen lassen, von ihm und von einem Staranwalt, der Freude daran hatte, das Spiel der Justiz zu Ende zu spielen, wie ein Großmeister, der eine Schachpartie großmütig übernimmt, die ein Anfänger begann. So schliefen wir miteinander, ohne miteinander zu sprechen, ahnungslos, daß es kein Glück ohne Sprache gibt. Vielleicht gibt es darum nur das momentane Glück, das Glück, das ich in jener Nacht spürte, als ich ahnte, was aus mir hätte werden können, eine unfaßliche Möglichkeit, die in mir lag und die ich dann nicht verwirklicht habe, und weil ich damals glücklich war, eine Nacht lang, war ich überzeugt, daß ich würde, was ich nicht wurde. Als wir uns am Morgen anstarrten, wußten wir, daß alles vorüber war. Nun muß ich zum Flughafen.



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Nachwort des Herausgebers: Ich machte auf eine recht seltsame und im Grunde zufällige Weise Bekanntschaft mit einigen Personen, von denen ich erst später begriff, daß sie nicht nur in diese vielschichtige Handlung verwickelt, sondern auch deren Hauptakteure waren.

Es muß um das Jahr 1984 herum gewesen sein. In München. Ich führe kein Tagebuch. Meine Zeitangaben sind nie allzu genau. Ich nehme an, Ende Mai, und ich hielt die Geschichte damals für erfunden. Eine bequeme Villa, ein bequemer Park, der sich unter hohen Bäumen verliert. Im Park, der Villa entlang, gedeckte Tische. Eine angenehme Gastgeberin. Verleger, Journalisten, Film-, Theater-, klug dosiertes Kulturleben. Wie immer verwechsle ich jemand mit jemandem. Bin unsicher, ob eine andere die sei, von der ich glaube, daß sie es sei. Dann ist es doch eine andere. Dann ist ein anderer jemand ganz anderes. Dann erschrecke ich erschrocken einen Intendanten eines Hauses, wo ich einst alle kannte und jetzt niemand mehr kenne. Ich denke, er denkt, ich wolle ihm ein Stück andrehn, und er denkt, ich wolle ihm ein Stück andrehn.

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