Justiz   ::   Дюрренматт Фридрих

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Aus dem Staranwalt war ein heruntergekommener Winkeladvokat geworden. Er hatte einen Mord begangen, hatte seinen eigenen Prozeß gewonnen, aber der Mord hatte ihn erledigt. Ich gab den Gedanken auf, den Hof zu kaufen. Ich hatte zu gehen, im Stüssital sind die Leute aus der Stadt unbeliebt, und da sie an meinem Wagen gesehen hatten, daß ich aus Neuchâtel kam, war ich ohnehin ein fremder Fötzel, obgleich ich die gleiche Sprache rede wie sie, vielleicht weniger singend. Ich verließ das Wirtshaus.»Trittst im Morgenrot daher, seh ich dich im Strahlenmeer, dich, du Hocherhabener, Herrlicher! Wenn der Alpen Firn sich rötet, betet, freie Schweizer, betet. Eure fromme Seele ahnt Gott im hehren Vaterland!«dröhnte es mir nach. Sie waren zur neuen Nationalhymne übergegangen.

Dann wieder Vergessen. Der Greis im Rollstuhl, seine Tochter, der besoffene Mörder in der Gaststube in Stüssikofen inmitten von besoffenen Bauern sanken ins Unterbewußte. Der Ärger, den Hof nicht kaufen zu können, deckte sie zu. Ich hatte den Hof nicht aus bloßer Laune zu kaufen versucht. Ich brauchte Veränderung. Zurückgekehrt, begann ich umzuorganisieren. Der Unrat, der sich während vierzig Jahren Schriftstellern angesammelt hatte, wurde ausgemistet. Haufen unerledigter Korrespondenz, nie gesehene und doch bezahlte Rechnungen, Abrechnungen, nie zur Kenntnis genommen, Berge von Korrekturen, endlos umgeschriebene Manuskripte, Fragmente, Fotos, Zeichnungen, Karikaturen, eine Heidenunordnung, die teils in Ordnung verwandelt, teils zum Verschwinden gebracht werden mußte. Berge ungelesener Manuskripte, in der Sintflut unerledigter Post seit Jahrzehnten untergegangen, wahllos schlug ich eines auf. Justiz. Fort mit dem Plunder. Beim Wegwerfen fiel mein Blick auf die erste Manuskriptseite, und ich las den Namen Dr.h.c. Isaak Kohler. Ich holte das Manuskript wieder aus dem Plastiksack. Ein Dr.H. hatte es aus Zürich geschickt, aber ich lese nie die Manuskripte, die mir zugeschickt werden. Mich interessiert Literatur nicht, ich mache selber welche. Dr.H. Ich erinnerte mich. Chur. 1957. Nach einem Vortrag. In einem Hotel. Ich ging zur Bar, um noch einen Whisky zu trinken. Außer der älteren Bardame fand ich dort noch einen Herrn, der sich mir vorstellte, kaum daß ich Platz genommen hatte. Es war Dr.H., der ehemalige Kommandant der Kantonspolizei Zürich, ein großer und schwerer Mann, altmodisch, mit einer goldenen Uhrkette quer über der Weste, wie man dies heute nur noch selten sieht. Trotz seines Alters waren seine borstigen Haare noch schwarz, der Schnurrbart buschig.

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