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Unvermutet eine Großstadt geworden, will sie das Trauliche, Bürgerfleißige, Tugendliche bewahren, das sie sich immer zuschrieb und zuschreibt, will sie persönlich auch im Unpersönlichen bleiben, der Tradition verhaftet, auch wenn diese längst zum Teufel ging:Die Zeit ist mächtiger geworden als die Stadt mit all ihrem beflissenen Tun, sie macht mit ihr, was sie will. Und so sind wir denn weder die, die wir einmal waren, noch die, die wir nun sein müßten, leben im Kriege mit der Gegenwart, wollen nicht, was wir dennoch müssen, tun aus Trotz nie ganz, was nötig ist, sondern nur halb, bestenfalls, und auch das widerwillig. Der Ausdruck dieser Misere ist das Anwachsen der polizeilichen Funktionen: denn wer im Krieg mit der Gegenwart lebt, reglementiert. Unser Gemeinwesen ist weitgehend ein Polizeistaat geworden, der in alles hineinredet, in die Sittlichkeit und in den Verkehr (beide in chaotischem Zustand). Der Polizist stellt daher nicht so sehr ein Symbol des Schutzes dar als eines der Schikane. Schluß. Schwer alkoholisiert. Dazu ist eben die Appartementsdame in mein Büro gekommen (wieder die Mansarde in der Spiegelgasse), braucht juristischen Schutz. Werde ihr raten, sich einen Hund anzuschaffen. Den kann sie und sich selber nächtlich zweimal ausführen (Empfehlung des Tierschutzvereins, von Jämmerlin zähneknirschend akzeptiert).
Staatsanwalt Jämmerlin: er haßte den Kantonsrat. Dessen Nonchalance ging ihm auf die Nerven. Er konnte es Kohler nie verzeihen, daß dieser ihm, Jämmerlin, im Tonhallesaal die Hand geschüttelt hatte. Er haßte ihn so sehr, daß er sich mit sich selber entzweite. Die Spannung zwischen seinem Haß und seinem Gerechtigkeitssinn war ins Unerträgliche gewachsen. Er erwog, sich als befangen zu erklären, dann wieder hoffte er, der Kantonsrat würde ihn als Staatsanwalt ablehnen. In seiner Ratlosigkeit vertraute er sich dem Oberrichter Jegerlehner an. Der Oberrichter sondierte beim Untersuchungsrichter, dieser beim Kommandanten, der seufzend den Kantonsrat aus dem Bezirksgefängnis in sein Büro führen ließ, damit man es gemütlicher habe. Der Dr.h.c. war bester Laune. Der Cheval Blanc vortrefflich. Der Kommandant kam ihm wieder mit Stüssi-Leupin, sein Offizialverteidiger sei ein berüchtigter Versager. Kohler erwiderte, das spiele doch keine Rolle. Der Kommandant rückte endlich mit den Bedenken Jämmerlins heraus. Der Kantonsrat versicherte, er könne sich keinen ihm gewogeneren Ankläger denken, eine Antwort, die, als sie Jämmerlin mitgeteilt wurde, diesen zum wütenden Ausruf verleitete, jetzt werde er es dem Kantonsrat zeigen und diesen lebenslänglich versenken, worauf der Oberrichter den Staatsanwalt beinahe dispensierte, es aber bleibenließ, aus Furcht, diesen treffe dann vor Wut der Schlag, stand doch Jämmerlins Gesundheit nicht zum besten.
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