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Der Prozeß: er fand vor dem Obergericht vor fünf Oberrichtern statt, früh für unsere Verhältnisse, in Windeseile sozusagen, ein Jahr nach dem Mord, wieder im März. Das Verbrechen war öffentlich geschehen, wer der Mörder war, mußte nicht bewiesen werden. Nur über das Motiv der Tat war nichts auszumachen. Es schien keines zu geben. Aus dem Kantonsrat war nichts herauszubringen. Man stand vor einem Rätsel. Auch der sorgfältigen Befragung des Angeklagten durch die zuständigen Richter gelang es nicht, den geringsten Anhaltspunkt ans Tageslicht zu fördern. Die Beziehungen zwischen Mörder und Ermordetem waren die denkbar korrektesten. Geschäftlich hatten sie nichts miteinander zu tun, Eifersucht war ausgeschlossen, nicht einmal Vermutungen waren in dieser Hinsicht möglich. Angesichts dieser seltsamen Tatsache gab es zwei Interpretationen: Entweder war Dr.h.c. Isaak Kohler geisteskrank oder ein amoralisches Monstrum, ein Mörder aus reiner Freude am Töten. Den ersten Standpunkt nahm der Offizialverteidiger Lüthi ein, den zweiten der Staatsanwalt Jämmerlin, gegen die erste Ansicht sprach der Augenschein, Kohler machte einen durchaus normalen Eindruck, gegen die zweite dessen gloriose Vergangenheit, ein Politiker und Wirtschaftsführer war schon an sich sittlich erhaben. Überdies wurden ihm seit jeher soziale (nicht sozialistische) Tendenzen nachgerühmt. Aber es war Jämmerlins ehrgeizigster Prozeß. Der Haß, die Schmach, die Witze, die man über ihn riß, beflügelten den alten Juristen, seinem unwiderstehlichen Schwung waren die Oberrichter nicht gewachsen, der farblose Lüthi blieb wirkungslos. Jämmerlins These vom Unmenschen Kohler drang zur allgemeinen Verblüffung durch. Die fünf Oberrichter glaubten ein Exempel statuieren zu müssen, selbst Jegerlehner gab nach. Wieder einmal tat man alles, um die Fassade der Moral zu retten. Das Volk, hieß es in der Urteilsbegründung, müsse von den finanziell und gesellschaftlich bessergestellten Kreisen einen sittlich einwandfreien Lebenswandel nicht nur fordern dürfen, sondern auch vorgelebt sehen können. Der Kantonsrat wurde zu zwanzig Jahren Zuchthaus verurteilt. Nicht ganz lebenslänglich, nur praktisch lebenslänglich.
Das Verhalten Kohlers: Jedem fiel die Würde des überführten Mörders auf. Er betrat den Gerichtssaal völlig ausgeruht, hatte er doch die Untersuchungshaft der Hauptsache nach in einer psychiatrischen Klinik am Bodensee verbracht, zwar unter losen polizeilichen Vorschriften, aber betreut von dem mit ihm eng befreundeten Professor Habersack. Bewegung war erlaubt, der Caddie beim Golf war der Dorfpolizist. Endlich vor Obergericht, wies Kohler jede Begünstigung von sich, verlangte» wie ein Mann aus dem Volke behandelt zu werden«.
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