Страница:
119 из 135
Und dann sei auch zufällig ein ehemaliger Schweizermeister im Pistolenschießen zugegen gewesen, der, als man ihn verhören wollte, sich erhängt habe, Glück müsse man haben, es sei natürlich auch möglich, daß dieser geschossen hätte im Augenblick, als er, damals siebzigjährig, hätte schießen wollen, was wirklich gewesen sei, sei der Tote, den Kopf auf dem Tournedos Rossini mit grünen Bohnen, wie er sich erinnere, doch wie diese Wirklichkeit möglich geworden sei, seiim Grunde nebensächlich. Er zündete sich die Zigarre an, mit der er vorher hantiert hatte, ein wenig wie ein Dirigent mit seinem Taktstock. Plötzlich brach die Gesellschaft in Gelächter aus, einige klatschten in die Hände, ein dicker Journalist öffnete ein Fenster und lachte in die Nacht hinaus:»Ein unsterblicher Witz. «Alle waren von seiner Unschuld überzeugt. Auch ich. Warum eigentlich? Durch seinen Charme? Durch sein Alter? Köstlich, strahlte die deutsche Witwe des italienischen Verlegers, die Gastgeberin meinte, das Leben schreibe die unwahrscheinlichsten Geschichten, die Tochter sah mich an, kalt und aufmerksam, als wolle sie erforschen, ob ich die Geschichte glaube. Der Greis rauchte seine Zigarre und brachte das Kunststück zustande, das mir nie gelungen war, den Rauch in Ringen auszustoßen. Er verstehe, meinte er, ein zu Unrecht Beschuldigter sei nicht genierlich wie ein Mörder, daher der herzliche Beifall, es sei sein Schicksal, daß ihm niemand seinen Mord glauben wolle. Auch ich wohl nicht, und damit wandte er sich an mich, der ich in meinen Komödien meine Helden gleich haufenweise ins Jenseits schicke. Erneutes Gelächter, es ging hoch her, schwarzer Kaffee wurde serviert, Cognac. Was bleibe, sei die Frage nach der Moral, begann der Greis aufs neue, sich auf die Asche seiner Zigarre konzentrierend, die er nicht abstreifte, sondern sorgsam anwachsen ließ. Plötzlich war er ein anderer. Nicht mehr hundertjährig, sondern zeitlos. Ob er nun getötet habe oder nur töten wollte, sagte er, moralisch zähle die Absicht, nicht die Ausführung. Doch die Frage der Moral sei eine Frage der Rechtfertigung einer Handlung, die nicht den allgemeinen Grundsätzen einer Gesellschaft entspräche, nach denen diese sich angeblich richte. Nun falle die Rechtfertigung in die Kategorie des Dialektischen. Dialektisch lasse sich alles rechtfertigen, somit auch moralisch. Darum halte er jede Rechtfertigung für stillos, überspitzt gesagt, jede Moral für unmoralisch, er könne nur ins Feld führen, er habe im Interesse eines Konzerns gehandelt, der übrigens trotzdem pleite gegangen sei, so daß auch sein schöner Mord nutzlos gewesen sei, ob er ihn nun begangen habe oder ob er von einem anderen verübt worden sei, worauf er die Frage, was politisch zu erreichen sei, dahin beantworten könne: Wenn etwas, nur durch Zufall, und, wenn etwas zufällig erreicht worden sei, stelle es das Gegenteil dessen dar, was man habe erreichen wollen. Dann entschuldigte er sich. Die verehrte Gastgeberin möge so gütig sein, ihn zu entlassen, und seine Tochter Hélène ihn in die >Vier Jahreszeiten< führen.
|< Пред. 117 118 119 120 121 След. >|