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«Ich bin wütend geworden, habe striktes Einhalten der Reglemente verordnet, obwohl ich von seiten des Justizdepartements angewiesen worden bin, möglichst Milde walten zu lassen, und kein Gefängnisreglement der Welt einem Gefangenen verbietet, vollkommen glücklich zu sein. Aber ich bin einfach emotional durcheinander gewesen. Herr Spät, Sie müssen das verstehen. Kohler hat die übliche verschärfte Einzelhaft bekommen, Dunkelarrest — na ja, eigentlich verboten —, doch schon nach wenigen Tagen fällt mir auf, daß die Wärter Kohler mögen, ja geradezu verehren.»
«Und nun?«fragte ich.
«Nun habe ich mich mit ihm abgefunden«, brummte der Gefängnisdirektor.
«Sie verehren ihn ebenfalls?»
Der Zuchthausdirektor schaute mich nachdenklich an.»Sehn Sie, Herr Spät«, sagte er,»wenn ich so in seiner Zelle sitze und ihm zuhöre — weiß der Teufel, da geht eine Kraft von ihm aus, eine Zuversicht, man könnte da beinahe wieder an die Menschheit glauben und an alles Schöne und Gute, auch unser Pfarrer ist hingerissen, es ist wie eine Seuche. Aber Gott sei Dank bin ich ja dann wieder ein gesunder Realist und glaube nicht an vollkommen glückliche Menschen. Am wenigsten an solche in Zuchthäusern, sosehr wir auch das Leben bei uns zu erleichtern suchen. Wir sind schließlich keine Unmenschen. Aber Verbrecher sind Verbrecher. Darum sage ich mir dann wieder: Der Mann kann gefährlich sein, muß gefährlich sein. Sie sind neu in Ihrem Beruf, passen Sie deshalb auf, daß er Ihnen keine Falle stellt, am besten lassen Sie vielleicht überhaupt die Finger davon. Natürlich ist das nur ein Rat, Sie sind schließlich Rechtsanwalt und entscheiden selber. Wenn man nur nicht so hin und her gerissen wäre. Der Mann ist entweder ein Heiliger oder ein Teufel, und ich halte es für meine Pflicht, Sie zu warnen, was ich nun getan habe.»
«Vielen Dank, Herr Direktor«, sagte ich.»Ich lasse Ihnen nun Kohler holen«, atmete der Zuchthausdirektor auf.
Der Auftrag: Die Unterredung mit dem vollkommen glücklichen Menschen fand im Nebenzimmer statt. Möblierung und Aussicht dieselbe. Ich erhob mich, als ein Wärter Dr.h.c. Isaak Kohler hereinführte. Der Alte war in brauner Zuchthauskleidung, sein Wärter in schwarzer Uniform, sah aus wie ein Briefträger.
«Nehmen Sie doch Platz, Spät«, sagte Dr.h.c. Isaak Kohler, tat überhaupt wie ein Gastgeber, generös und jovial. Ich dankte beeindruckt, nahm Platz. Dann bot ich dem Sträfling eine Parisienne an, Kohler lehnte ab.
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