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Monikas Lebenswandel freilich war weitaus schwieriger zu leiten. Die wildesten und oft lächerlichsten Gerüchte gingen über dieses Mädchen um, verdichteten sich zu Beinahe-Gewißheiten, lösten sich wieder auf, wurden dementiert — stets von Onkel Lüdewitz — und gerade deshalb aufs neue geglaubt, bis ein neuer, noch großartigerer Skandal alles Vorhergewesene übertraf, worauf das Spiel von neuem begann. Man blickte auf die sittenlose Erbin von Abermillionen zwar mißbilligend, doch mit geheimem Stolz, neidisch — die kann sich alles leisten —, doch dankbar, man kam schließlich auf seine Kosten. Die Steiermann wurde die offizielle» Femme fatale mit Weltniveau «einer Stadt, deren Ruf auf der einen Seite durch krampfhafte Bemühungen von Behörde, Kirche und gemeinnützigen Vereinen verzweifelt hochgehalten wurde, auf der anderen Seite durch ihre Strichjungen wieder in Frage gestellt wurde: Durch diese und durch ihre Banken, nicht durch ihre Dirnen, wurde unsere Stadt ein internationaler Begriff. Man atmete beinahe auf. Der Doppelruf, zugleich prüde und schwul zu sein, wurde durch die Steiermann etwas gegen das alltägliche Laster hin korrigiert. Das Mädchen wurde immer populärer, besonders seit unser Stadtpräsident sie in seine berüchtigten Stegreifreden und Hexameter einzuflechten begann, die er des öfteren anläßlich offizieller Feiern zu vorgerückter Stunde zum besten gibt, sei es etwa bei der Verleihung eines Literaturpreises oder beim Jubiläum irgendeiner Privatbank. Daß ich jedoch fürchtete, Monika Steiermann zum zweiten Mal zu begegnen, hatte einen bestimmten Grund. Ich hatte sie bei Mock kennengelernt. Noch zu meiner Stüssi-Leupin-Zeit. Sein Atelier in der Nähe des Schaffhauserplatzes war im Winter überheizt, der Eisenofen glutrot, die Luft vom Pfeifen-, Zigarren- und Zigarettenrauch reines Giftgas, dazu alles unvorstellbar schmutzig, um ewig unvollendete Torsen ewig nasse Tücher, dazwischen haufenweise Bücher, Zeitungen, ungeöffnete Briefe, Wein, Whisky, Skizzen, Fotos, Bündnerfleisch. Ich war gekommen, um die Statue zu sehen, die Mock von der Steiermann gemacht hatte, neugierig, weil er mir erzählt hatte, er würde die Statue bemalen. Die Plastik stand mitten in der gewaltigen Unordnung des Ateliers, erschreckend naturalistisch, aber wahrhaftig und lebensgroß. In Gips, fleischfarben angemalt, wie Mock erklärte. Splitternackt und in eindeutig zweideutiger Pose. Ich betrachtete die Statue lange, verwundert — daß Mock das auch konnte. Er war sonst ein Meister im Andeuten: Mit wenigen Schlägen hieb er aus seinen oft zentnerschweren Steinen heraus, was er wollte, arbeitete er im Freien.
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